WhatsAppartement Teil 3: Das blinkgestalten Interview

In dieser Folge der „WhatsAppartement“ Blog-Serie sprechen wir mit den blinkgestalten über die Hintergründe Ihres Projektes „WhatsAppartement“. Im Interview erfahren Sie, wie es zum Projekt kam und welche Überlegungen in das Projekt eingeflossen sind.

Wir sind heute zu Gast in der blinkanstalt bei den blinkgestalten und sprechen mit ihnen über ihr neuestes Projekt „WhatsAppartement“. Wie kam es zu diesem Projekt?

blinkgestalten: Wir wurden gewissermaßen von den Entwicklungen überrollt. WhatsApp hat sich ja in den letzten Jahren explosionsartig verbreitet. Zuerst war es vor allem bei Jugendlichen beliebt und plötzlich mussten wir feststellen, dass unser gesamtes soziales Umfeld auf WhatsApp umgestiegen war.

Wieso sind Sie denn nicht bei WhatsApp eingestiegen?

blinkgestalten: Wir sind ja dafür bekannt, dass wir nicht gleich auf jeden Hype aufspringen. Wir beobachten neue Technologien zunächst eine Weile und bilden uns dann eine Meinung.

Sie haben fünf Jahre lang beobachtet?

blinkgestalten: Eigentlich waren es eher zwei bis drei Jahre. Wir hatten den Eindruck, dass bei den Jugendlichen der große Schwenk von Facebook zu WhatsApp ungefähr 2016 begonnen hat.

Wann haben Sie die Auswirkungen auf ihr – vermutlich nicht mehr ganz so jugendliches – Umfeld bemerkt?

blinkgestalten: Danke für das Kompliment (lachend). Das begann vor etwas mehr als einem Jahr. Wir bekamen Statements wie diese zu hören:
„Ihr seid ja nicht mehr erreichbar.“
oder als Antwort auf den Hinweis, dass wir etwas nicht erfahren hatten
„Kein Wunder, wenn man hinterm Mond lebt.“

Wie haben Sie darauf reagiert?

blinkgestalten: Gar nicht. Wir haben diese Statements einfach im Raum stehen lassen, damit sie ihre volle bizarre Wirkung entfalten konnten. Man muss sich das schon auf der Zunge zergehen lassen: in der Wahrnehmung unseres Umfelds erschienen wir als nicht mehr erreichbar, obwohl sich an unserer Erreichbarkeit über die klassischen Medien (Telefonie, SMS, Email) rein gar nichts geändert hatte.

Es war fast so, als hätte man unser Umfeld einer Gehirnwäsche unterzogen: alle klassischen Medien existierten nicht mehr oder waren nur noch für Kommunikation hinter dem Mond zu gebrauchen.

Fast wie in einem dystopischen Science Fiction Film.

blinkgestalten: Genau. Gedächtnisverlust durch Drogen im Trinkwasser oder Gehirnbestrahlung per Handymast. Das kommt davon, wenn man seinen Aluhut nicht konsequent trägt.

Haben Sie diesen Wandel mit ihrem Umfeld besprochen?

blinkgestalten: Wir haben es zumindest versucht. Es ist aber ein schmaler Grat. Man landet bei solchen Diskussionen leicht in der Bedenkenträger-/Aluhut-/Technikfeind- Schublade.

Technikfeind? Die Projekte der blinkgestalten sind doch allesamt technisch am Puls der Zeit.

blinkgestalten: Was aber nicht jeder aus unserem Umfeld weiss.

Wie kam es zur WhatsAppartement Installation?

blinkgestalten: Zunächst war es nur ein Gedankenexperiment:Was müsste man tun, um alle Nachteile von WhatsApp zu adressieren? Es war relativ schnell klar, dass das „Wegsperren“ des Smartphones ein zentrales Element der Gegenwehr sein musste.

Wenn es zunächst nur ein Gedankenexperiment war: Warum haben Sie die Installation dann tatsächlich in die Tat umgesetzt?

blinkgestalten: Wir haben begriffen, dass wir keine andere Wahl hatten, als WhatApp als weiteren Kommunikationskanal bei uns einzuführen. Die Alternative wäre soziale Isolation gewesen.

Das klingt sehr dramatisch.

blinkgestalten: Die Formulierung ist aber nicht übertrieben. Wir haben bei unserem Experiment „totale WhatsApp Verweigerung“ den sozialen Druck unmittelbar zu spüren bekommen.

Sie sind also eingeknickt.

blinkgestalten: Ja, das kann man so sehen.
Wir würden es so formulieren: Wir sind würdevoll eingeknickt.
Bei WhatsAppartement begegnen wir WhatsApp auf Augenhöhe: Es ist eine Balance der Macht. Wir nehmen die Dienste von WhatsApp in Anspruch und geraten damit in Abhängigkeit. Gleichzeitig sendet unsere Installation ein deutliches Signal an WhatsApp aus: Die App ist bei uns nur zu Gast.

Und das Gästezimmer kann sich sehen lassen.

blinkgestalten: Da haben wir keine Mühen gescheut. Wir wollen gute Gastgeber sein.

Der Gast WhatsApp darf aber nicht an Ihrem Privatleben teilhaben.

blinkgestalten: Sie würden den Gast von Airbnb ja auch nicht in ihrem Bett schlafen lassen oder mit unter die Dusche nehmen.

Wann darf der Gast WhatsApp denn an Ihrem Privatleben teilnehmen?

blinkgestalten: Wir beschäftigen uns nur ein- bis zweimal pro Woche mit unserem Gast WhatsApp.

Was für einen WhatsApp Nutzer eine ziemlich reduziert Kommunikationsfrequenz ist. Normal wäre alle zehn Minuten.

blinkgestalten: Da wir nur wenig Praxiserfahrung haben, dachten wir uns, wir tasten uns besser mal sehr vorsichtig heran. Wir haben uns schließlich einen sehr gefährlichen Gegner ins Haus geholt.

Stichwort sozialer Druck, Suchtpotential und Dopamin.

blinkgestalten: Korrekt. Wir dürfen nicht vergessen, dass es WhatsApp gelungen ist, das Kommunikationsverhalten von 48 Millionen deutschen Nutzern bzw. 1,5 Milliarden weltweiten Nutzern umzukrempeln.
Man kann uns vorwerfen, dass unserer Herangehensweise übertrieben ist, aber wir möchten den Kritikern entgegnen: wie sieht denn eine gesunde WhatsApp Nutzung ohne Nachteile aus? Solange uns niemand in der Praxis beweisen kann, dass es auch anders geht, bleiben wir bei der zweimaligen Nutzung pro Woche.

Vielen Dank für das Gespräch

blinkgestalten: Wir danken für das Interesse. Weitere Fragen bitte nur per Email.

In Teil 4 der Blog-Artikelserie lesen Sie, warum wir unser WhatsApp-Smartphone nicht nur an einen anderen Ort verbannen, sondern es zusätzlich auch noch so wegsperren, als ob es eine verführerische Schüssel mit Süßigkeiten wäre.

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